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Grafische Lösungsverfahren
Lineare Gleichungssysteme mit zwei Variablen (auch als zweidimensionale Gleichungssysteme bezeichnet) können grafisch gelöst werden. Dazu gibt es zwei Vorgehensweisen, welche nachfolgend erläutert werden.
Interpretation als lineare Funktion
Bei diesem Verfahren werden die Gleichungen als lineare Funktionen betrachtet, deren Graph im Koordinatensystem dargestellt wird. Dazu geht man folgendermaßen vor:
  1. Das Gleichungssystem wird in Normalform (mehr dazu in diesem Kapitel) umgeformt.
  2. Die einzelnen Gleichungen werden als lineare Funktion aufgefasst.
  3. Der Graph dieser linearen Funktionen wird in ein Koordinatensystem gezeichnet.
  4. Die Koordinaten des Schnittpunktes sind die Lösung des Gleichungssystems.
Beispiel 1
Es soll das folgende lineare Gleichungssystem grafisch gelöst werden: \begin{align} &[1] ~~a-b = 2\\ &[2] ~~a+2b = 5 \end{align} Man hat hier zwei Möglichkeiten: Entweder man formt beide Gleichungen nach $a$ um, sodass zwei lineare Funktionen $a(b)$ entstehen oder man formt sie nach $b$ um, sodass zwei lineare Funktionen $b(a)$ entstehen.
In der Praxis würde man sich für die einfachere Variante entscheiden. Das wäre in diesem Fall $a(b)$, da $a$ in beiden Gleichungen keinen Faktor hat und somit keine Division erforderlich ist. In diesem Beispiel werden jedoch beide Varianten parallel durchgeführt.
  • Variante 1: Es werden beide Gleichungen zu einer Funktion $a(b)$ umgeformt. Man erhält: \begin{align} &[1] ~~a(b)=b+2\\ &[2] ~~a(b)=5-2b \end{align}

    Die Lösung ist daher $(a,b)=(3,1)$.
  • Variante 2: Es werden beide Gleichungen zu einer Funktion $b(a)$ umgeformt. Man erhält: \begin{align} &[1] ~~b(a)=a-2\\ &[2] ~~b(a)=2{,}5-0{,}5a \end{align}

    Die Lösung ist daher auch hier $(a,b)=(3,1)$.
Zu beachten ist die unterschiedliche beschriftung der Achsen des Koordinatensystems. Diese ist abhängig davon, nach welcher Variable die Gleichungen umgeformt wurden. Bei Variante 1 wurden aus beiden Gleichungen lineare Funktionen $a(b)$ erzeugt. Das heißt, die unabhängige Variable $b$ wird auf der horizontalen Achse abgelesen und die abhängige Variable $a$ auf der vertikalen Achse. Da der Schnittpunkt links bei $(1 \mid 3)$ liegt, ist somit $a=3$ und $b=1$. Bei Variante 2 wird $a$ horizontal gemessen und $b$ vertikal. Daher führt der Schnittpunkt $(3\mid 1)$ auch hier zur Lösung $a=3$ und $b=1$.
Punkte verbinden
Bei der zweiten Methode sucht man zu jeder Gleichung zwei möglichst einfache Lösungen. Anschließend zeichnet man die beiden Lösungen jeder Gleichung als Punkt in ein Koordinatensystem und verbindet die beiden Punkte. Auf diese Weise erhält man zu jeder Gleichung eine Gerade, ohne die Gleichung zu einer linearen Funktion umformen zu müssen. Der Schnittpunkt der Gerade ist auch hier die Lösung des linearen Gleichungssystems.
Beispiel 2
Es soll das nachfolgende lineare Gleichungssystem grafisch gelöst werden: \begin{align} &[1] ~~2v+3w=8\\ &[2] ~~v-2w=-10 \end{align} Für die erste Gleichung könnte man die beiden Lösungen $(v,w)=(4,0)$ und $(v,w)=(1,2)$ verwenden. Mögliche Lösungen der zweiten Gleichung sind $(v,w)=(0,5)$ und $(v,w)=(-4,3)$. Diese vier Punkte werden nun in ein Koordinatensystem gezeichnet, wobei die zusammengehörenden Punkte jeweils zu einer Gerade verbunden werden.

Die Lösung dieses linearen Gleichungssystems lautet somit $v=-2$ und $w=4$.
Vor- und Nachteile
Das grafische Lösen von Gleichungssystemen ist gut geeignet, um Lösungen näherungsweise zu bestimmen und dient der besseren Vorstellung. Es hat jedoch zahlreiche Nachteile:
  • Es sind nur lineare Gleichungssysteme mit zwei Variablen lösbar.
  • Es ist ungenau, falls der Schnittpunkt nicht exakt auf einem Gitterpunkt liegt.
  • Es ist zeitaufwändig.
  • Man benötigt ein Lineal.
  • Für große bzw. kleine Zahlen ist eine Achsenskalierung nötig.
Aufgrund dieser Nachteile ist es sinnvoll, auf rechnerische Lösungsverfahren zurückzugreifen. Diese werden in einem der nächsten Kapitel behandelt.
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